Die neue EU- Biozid-Verordnung vom Mai 2012 reguliert europaweit das Inverkehrbringen und die Zulassung von Bioziden. Verglichen mit der vorher geltenden Biozid-Richtlinie (RL 98/8/EG) legt die Biozid-Verordnung Nr. 528/2012 verschärfte Kriterien für die Verwendung von Bioziden in der gesamten Lieferkette fest. In Zukunft muss jedes Biozidprodukt zugelassen werden, bevor es in den Markt gebracht und in der EU genutzt werden kann. Das Zulassungsverfahren erfolgt in einem gestuften Verfahren: In der ersten Stufe werden die einzelnen Wirkstoffe, die in einem Biozidprodukt verwendet werden, geprüft und gegebenenfalls in die sogenannte Unionsliste aufgenommen. In einem zweiten Schritt kann dann ein Zulassungsantrag für Produkte, die die bereits bewerteten Wirkstoffe enthalten, gestellt werden. Es gilt: Nur ein Produkt, dessen enthaltene Wirkstoffe zugelassen sind, kann auch selbst durchgelassen werden. Die Zulassung eines Biozidproduktes gilt zukünftig nur für den Mitgliedsstaat, in dem die Zulassung beantragt und genehmigt wurde.
Konnte diese Zulassung in der Vergangenheit im Rahmen einer sogenannten gegenseitigen Anerkennung auf andere Mitgliedsstaaten ausgeweitet werden, ist es nun durch die neue Verordnung möglich, bei der ECHA (Europäische Chemikalienagentur) eine unionsweite
gültige Zulassung zu beantragen. Bestimmte Produktarten wie Antifoulingmittel (PT 21) sind von diesem neuen Verfahren zur Unionszulassung allerdings generell ausgenommen.
Bewuchsschutz muss
biozidfrei werden
Biozid-Verordnung
INTERVIEW Vor dem Hintergrund strengerer Umweltschutzregularien
gewinnen biozidfreie Antifouling-Lösungen in der Oberflächentechnik zunehmend an Bedeutung. Um den Bewuchs an Schiffsrümpfen zu reduzieren, bietet das Aufbringen von Folie eine interessante Alternative. Ein biozidfreies Folien-Beschichtungssystem wäre insbesondere für Arbeits- und Behördenschiffe sowie für Offshore-Strukturen bereits heute eine ökonomisch darstellbare und umweltfreundliche Option. Schiff & Hafen sprach mit dem Antifouling- Experten Dr. Burkard Watermann, Leiter des Hamburger Forschungsinstituts LimnoMar, über aktuelle Entwicklungen im Bewuchsschutz und Folientechnik als mögliche Alternative. Herr Dr. Watermann, Sie forschen bereits seit Jahren zum Thema Antifouling und haben sich hauptsächlich auf den Bereich biozidfreie Lösungen spezialisiert. Wie groß ist aus Ihrer Sicht der Bedarf an biozidfreien Antifouling-Lösungen?
Auf lange Sicht muss der Bewuchsschutz biozidfrei werden. Sowohl große Unternehmen als auch die zuständigen Zulassungsbehörden sind sich über die Notwendigkeit schadstofffreier Bewuchsschutz-Lösungen bewusst. Alle Antifoulingbiozide, die derzeit innerhalb der EU zugelassen sind, stellen ein Risiko dar. Der Bedarf an biozidfreien Lösungen ist sehr groß, deshalb wird auch in der Forschung vermehrt der Fokus hierauf gelegt. Eine neue Möglichkeit zum Bewuchsschutz bietet das Aufbringen von Folien auf Schiffsrümpfen. Neben der Sportbootschifffahrt zeichnen sich auch Einsatzgebiete für kleinere Schiffe in der Berufsschifffahrt ab. Wo sehen Sie hier mögliche Anwendungsmöglichkeiten?
Biozid-Verordnung
Die Berufsschifffahrt steht prinzipiell vor den gleichen Herausforderungen wie die Sportschifffahrt. Biozid-Verordnung. Nur kommen hier zu der Bewuchsverhinderung an sich auch noch die Faktoren Treibstoff- und Emissionsreduzierung sowie die globale Einsatzmöglichkeit hinzu. Die Gesetzgebung bezüglich des Einsatzes von Bioziden ist regional geregelt und stellt für viele Reeder und Werften echte Barrieren dar. Der Umstieg auf biozidfreie Systeme ist also auch hier vorteilhaft und viele Reeder, Tauchfirmen und Häfen beteiligen sich bereits proaktiv an einer Lösungsfindung. Gibt es einen Unterschied zwischen dem Bewuchs in Salz- und Brackwasser? Wie hängen Salzgehalt des Wassers und der Grad des Foulings zusammen?
Generell kann man sagen, dass der Bewuchs im Salzwasser mehr von hartschaligen Organismen wie Seepocken, Muscheln und Röhrenwürmern dominiert wird. Im Süßwasser hingegen gibt es zwar auch Muscheln, im Allgemeinen aber eher wenig hartschaligen Bewuchs. Der Bewuchsdruck in Salzwassergebieten ist höher und der marine Bewuchs damit wesentlich gravierender als der im Süßwasser. Wie ist Ihre Erfahrung mit den bisherigen biozidfreien Antifouling-Lösungen?
Seit einigen Jahren kommen zunehmend biozidfreie Bewuchs-Verhinderungssysteme auf den Markt. Ob Antihaft-Beschichtungen, Antihaft-Folien, Bootshebe- oder Reinigungsanlagen oder auch Planen, die unter den Bootsrumpf gezogen werden: Sie alle sind sowohl im Brack- als auch im Salzwasser einsetzbar. Biozidhaltige Beschichtungen hingegen müssen immer an den jeweiligen Salzgehalt des Wassers angepasst
werden, da die Auswaschungsrate der Produkte von diesem abhängig ist.
In den vergangenen drei Jahren haben Sie ausführliche Untersuchungen mit bewuchshemmenden Folien (Renolit) durchgeführt. Wie werden die Folien angewendet und welche Ergebnisse haben die Testreihen erbracht?
Die Vorteile von Antihaft-Folien liegen im Allgemeinen bei der qualitativ hochwertigen Vorfertigung der Silikonschichten in der Produktion. Im Gegensatz zu Antihaft-Beschichtungen, die schwer zu applizieren sind und qualitativ unsichere Ergebnisse liefern können, ist bei einer solchen Folie eine maximal gute Performance zu erwarten. Unseren Erfahrungen nach ist die Leistung der Folie gleichwertig mit der von professionell aufgebrachten Beschichtungen. Außerdem können diese Folien bei mechanischen Beschädigungen an der Schadstelle herausgeschnitten, abgelöst und ersetzt werden. Eine Reparatur von Antihaft-Beschichtungen dagegen ist viel komplizierter.
Wie hoch ist die Lebensdauer der getesteten Folie? Und wie ist diese im Vergleich zu anderen Lösungen zu bewerten? Biozidhaltige Antifouling-Beschichtungen müssen sich auflösen, um ihre Wirkung entfalten zu können. Die Beschichtungen auf einer Antihaft-Folie dagegen lösen sich weder ab, noch erodieren sie. Im Sportbootbereich beispielsweise wird beinahe jedes Jahr das alte Antifouling abgeschliffen und neuer Bewuchsschutz auf die Schiffe aufgetragen
Welche Rolle spielen die amphiphilen Eigenschaften der Folie? Die meisten aktuellen Antihaft-Beschichtungen und -systeme basieren auf einer sogenannten amphiphilen Oberfläche. Das bedeutet, dass sowohl wasserähnliche als auch wasserabweisende Strukturen auf der Oberfläche
vereint sind. Dadurch wird die Haftung der Organismen deutlich erschwert. Wie beurteilen Sie die Zukunft von Folien als alternativen Bewuchsschutz? Wie wird der zukünftige Bedarf an biozidfreien Lösungen sein? Sehen Sie einen steigenden Trend, auch in Bezug auf Green Ports?
Zunächst ist davon auszugehen, dass in Europa immer mehr Gewässerbereiche ausgewiesen werden, in denen biozidhaltige Antifoulingsysteme nicht mehr zugelassen sein werden. Der Markt ändert sich und viele Schiffseigner, die offen für innovative Lösungen sind, nutzen bereits nachhaltige Technologien. Bei anderen ist noch viel Aufklärungsarbeit notwendig. Aber der Trend ist erkennbar und der Bedarf nach biozidfreien Lösungen steigt.
Quelle: DVV Media Group GmbH